Steuerhinweis für Rentner Nr.48                                     25.4./23.6.2013

Der Fall Hoeneß und die Steuerhinterziehung
Die Wirkung einer Selbstanzeige und Verjährung.

1. Vorbemerkung
Zur Zeit werden wir in den Medien stündlich mit dem "Fall Hoeneß" konfrontiert und fast jede Talkshow macht dieses Thema zum Gegenstand der Diskussion. Dabei werden Beispiele genannt über bereits abgewickelte Steuerstrafverfahren und Vermutungen angestellt, wie und in welchem Umfang Hoeneß den deutschen Fiskus betrogen hat. Aber sind wir ehrlich, neigen nicht auch Bezieher geringerer Einkommen dazu, die Angaben in der Steuererklärung nicht immer dem Gesetz entsprechend zu machen, um auch etwas Steuern zu sparen? Sei es, die Kilometer für Fahrten Wohnung / Arbeitsstätte etwas höher als tatsächlich anzugeben, nicht jeden Zinsbetrag zu erklären oder ein gelegentlich getätigtes Geschäft zu ignorieren oder Handwerker ohne Rechnung zu beschäftigen. Sind wir also auch dann Steuerhinterzieher, wenn der dabei erzielte Steuervorteil im Verhältnis zu den großen Steuerhinterziehern gering ist oder wir der Schwarzarbeit Vorschub leisten?
Um die Diskussionen in den Medien besser verfolgen zu können und sich auch selbst prüfen zu können, ob man in den Verdacht der Steuerverkürzung gelangen könnte, werden die Grundsätze des Besteuerungs- und Steuerstrafrechts in den folgenden Abschnitten kurz dargestellt.

2. Besteuerungsumfang
Der Besteuerungsumfang richtet sich in der Bundesrepublick danach, ob die Person im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er sie behalten und benutzen will (§ 8 Abgabenordnung, kurz AO).
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 9 AO). Dieses gilt bei einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als 6 Monaten von Beginn an als erfüllt. Kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Andererseits liegt kein gewöhnlicher Aufenthalt vor, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur-, oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.

Im Inland ansässige Personen müssen in der Bundesrepublik im Prinzip ihr gesamtes Welteinkommen versteuern, also auch Auslandseinkünfte. Eine Doppelbesteuerung von Auslandseinkommen wird durch Doppelbesteuerungsabkommen oder durch Anrechnung im Ausland erhobener Einkommensteuer vermieden. Hierüber entscheidet das Finanzamt im Veranlagungsverfahren. Daher sind die Auslandserträge auch dann zu erklären, wenn sie im Ergebnis bei der inländischen Besteuerung außer Ansatz bleiben.

Personen, die nicht im Inland ansässig sind, unterliegen im Inland in der Regel der beschränkten Steuerpflicht. Wenn sie aber zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Einrichtung beziehen (z.B. deutsche EU-Beamte oder Grenzpendler, § 1 Abs. 3 EStG), sind sie damit in Deutschland zu besteuern. Um sicher zu stellen, dass die zu besteuernden Einkünfte auch vollständig erfasst werden, sind in den letzten Jahren im Inland die Arbeitseinkünfte durch den Arbeitgeber direkt an die Finanzbehörden zu melden. Entsprechendes gilt für die Rentenzahlungen durch die Rentenkasse und die Kapitalerträge durch die Banken. Leider fehlen solche Absprachen noch mit anderen Ländern, was der Steuerflucht in Niedrigsteuerländer Vorschub geleistet hat. Dieses Thema soll nun durch die EU aufgegriffen werden. Bisher haben Steuerdaten über angekaufte CDs dazu geführt, dass vielfach reuige Steuersünder nicht nur Steuernachzahlungen befürchten und sich zur Vermeidung einer zusätzlichen Steuerstrafe in die Selbstanzeige flüchten (siehe Fall Hoeneß).

3. Steuerhinterziehung (§ 370 AO)
Wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerliche Tatsachen in Unkenntnis läßt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Auch der Versuch ist strafbar.
In besonders schweren Fällen beträgt die Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren. Ein solcher liegt z.B. vor, wenn der Täter in großem Maß Steuern verkürzt oder Steuervorteile erlangt.

Werden die genannten Taten von dem Steuerpflichtigen lediglich leichtfertig begangen (nicht vorsätzlich), so liegt eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, die als Ordnungswidrigkeit mit eine Geldstrafe bis zu fünfzigtausend EURO geahndet werden kann. Ordnungswidrig handelt auch, wer durch vorsätzlich oder leichtfertig ausgestellte falsche Belege oder eine unterlassene Meldepflicht eine Steuergefährdung (§ 379 AO) begeht, die mit einer Geldbuße bis zu fünftausend EURO geahndet werden kann.

4. Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung (§ 371 AO)
Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft.

Straffreiheit tritt jedoch nicht ein, wenn
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuertraftat vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben worden ist oder
b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
d) die Straftat im Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits entdeckt war und der Täter dieses wußte oder er damit rechnen musste oder
e) der verkürzte Steuerbetrag oder Steuervorteil 50 000 EURO je Tat übersteigt. Gem. § 398a AO kann jedoch von der Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen werden, wenn innerhalb einer angemessenen Frist die hinterzogenen Steuern gezahlt und zusätzlich ein Geldbetrag in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuer an die Staatskasse gezahlt werden.

Voraussetzung für die Straffreiheit ist außerdem , dass die verkürzte Steuer vom Täter innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist entrichtet wird.

Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.4.2011 wurde der  Ausschluß der Steuerfreiheit wie oben dargestellt neu geregelt und  verschärft (z.B. Buchst. e). Die Neufassung gilt für alle Selbstanzeigen, die nach dem 28.4.2011 bei den zuständigen Finanzbehörden eingehen (§ 24 des Gesetzes). Für bis zum 28.4.2011 eingegangene Selbstanzeigen gilt die davor geltende Fassung des § 371 AO.

5. Wann sind hinterzogene Steuern verjährt und nicht mehr festsetzbar?
Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Änderung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen, d.h. die Verjährung eingetreten ist. Die Festsetzungsfrist beträgt für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen 1 Jahr und für die übrigen Steuern 4 Jahre. Handelt es sich bei den festzusetzenden Steuern jedoch um leichtfertig verkürzte Beträge, beträgt die Festsetzungsfrist 5 Jahre und bei hinterzogenen Steuern sogar 10 Jahre.
Ist die Verjährung eingetreten, sind bereits hinterzogene Beträge weder nachzuerheben, noch zu bestrafen. Wer z.B: 30 Jahre lang Steuern hinterzogen hat, bleibt trotz Selbstanzeige 20 Jahre unbehelligt (wie im Fall Schwarzer).

Die Festsetzungsfrist beginnt gem. § 170 AO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden bzw. unbedingt geworden ist. Ist eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten, beginnt die Frist erst mit Ablauf des Kj., in dem die Erklärung dem Finanzamt eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des 3. Kj., das dem Kj. folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

Für das Veranlagungsjahr 2010 beginnt die Festsetzungsfrist somit spätestens mit Ablauf des Jahres 2013, wenn die Erklärung nicht bereits vorher eingereicht wurde. Sie endet mit Ablauf des Kj. 2017, so dass dann die Verjährung eintritt und keine Änderung mehr erfolgen kann.
Sind jedoch hinterzogene Steuern festzusetzen, so beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre. Das bedeutet, dass im Kj. 2013 hinterzogene Steuern noch aus dem Veranlagungsjahr 2002 erhoben werden können, wenn die unvollständige Steuererklärung des Jahres 2002 im Kj. 2003 abgegeben wurde. Wurde die Erklärung für das Kj. 2002 erst 2005 beim Finanzamt eingereicht, tritt die Verjährung der hinterzogenen Steuern des Kj. 2002 sogar erst mit Ablauf des Kj. 2015 ein.

6. Welche Konsequenzen sind aus dem Fall Hoeneß zu ziehen?
Der Grundsatz, dass Gesetze zu befolgen und Steuern von jedem auf der Basis seines steuerlichen Einkommens zu entrichten sind, darf weder bei niedriger noch bei der derzeitigen hohen Besteuerung bei Besserverdienenden durch eine "Selbstjustiz" verletzt werden. Das gilt auch für Steuerbürger mit kleinen Einkünften. Das Grundproblem ist, dass es noch große Unterschiede bei den Steuersätzen zwischen den einzelnen Ländern (sowohl bei der Einkommen- wie auch bei der Umsatzsteuer) gibt und selbst in der EU noch keine Angleichung erfolgt ist und wegen der bestehenden Steuerhoheit der Länder auch so schnell nicht erreicht werden kann.

Zwischenzeitlich sollte daher durch umfassende Kontrollmaßnahmen sichergestellt werden, dass die Besteuerung dem jeweiligen Landesrecht und der bilateralen Abkommen entsprechend durchgeführt werden kann. Eine Steuerflucht ließe sich dann künftig vermeiden. Langfristig wäre eine weitgehende Harmonisierung der Steuersätze und Bemessungsgrundlagen innerhalb der EU das anzustrebende Ziel. Dann wären die Steueroasen zumindest innerhalb der EU ausgetrocknet. Durch den Ausschluß der Selbstanzeige für Beträge über 50.000 € (s.o.), ist eine Bestrafung für diese Fälle heute bereits gesetzlich geregelt. Diskussionswürdig ist ggf. die Höhe des Betrages (5% werden vielfach als zu gering angesehen).

Anmerkung zum Fall Hoeneß
Da nach geltendem Recht eine Straffreiheit nicht eintritt, wenn der verkürzte Steuerbetrag 50.000 € je Tat (Veranlagungsjahr) übersteigt (siehe 4.), könnte bei der in den Medien genannten Höhe der hinterzogenen Steuern eine Bestrafung auch durch eine Selbstanzeige im Fall Hoeneß eigentlich nicht verhindert werden. Damit wäre durch die bereits bestehende Vorschrift des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO die bei den Talkshows geforderte Abschaffung der Straffreiheit für hohe Hinterziehungsbeträge bereits gesetzlich festgeschrieben. Allerdings läßt § 398 a AO ein Schlupfloch offen, in dem durch Zahlung eines Zuschlags von 5% von einer Strafverfolgung abgesehen wird.

Bei Hoeneß scheint aber keine wirksame strafbefreiende Selbstanzeige vorzuliegen, denn es wurde die Eröffnung eines Strafverfahrens für Februar 2014 angekündigt und im März 2014 hat der Steuerprozess stattgefunden. Von  Hoeneß wurde im Prozess die Höhe hinterzogener Steuern mit 67,2 Mio € anerkannt, während die Staatsanwaltschaft in der Anklage zunächst nur von 3,5 Mio € ausgegangen war. Die Erhöhung ergab sich aufgrund der Schätzung durch die als Zeuge geladene Steuerfahnderin und wurde schließlich von Hoeneß und seinen Verteidigern nicht mehr bestritten. Wegen der Selbstanzeige und des unbestrittenen sozialen Wirkens von Hoeneß plädierte die Verteidigung auf Anerkennung einer strafbefreienden Selbstanzeige.
Dem hat das Gericht aber nicht entsprochen und auf eine Haftstrafe von 3 1/2 Jahren entschieden. Dieses Urteil hat der Angeklagte am Tag nach der Urteilsverkündung angenommen und ist als Folge von allen bei Bayer München bekleideten Ämtern zurückgetreten. Falls auch die Staatsanwaltschaft dem Urteil zustimmt, wird er also demnächst seine Haftstrafe antreten müssen.

Das Finanzamt wird nun die erst kurz vor Prozessbeginn vorgelegten umfangreichen Bankunterlagen endgültig auswerten und den danach zu berechnenden Steuernachzahlungsbetrag durch entsprechende Steuerbescheide festsetzen müssen. Da die hinterzogenen Steuern durch die Steuerfahnderin nach eigenen Aussagen vor Gericht zu Gunsten von Herrn Hoeneß geschätzt wurden, werden die endgültigen Nachzahlungen ggf. noch wesentlich höher ausfallen. Außerdem sind je Kj. 6 % Zinsen auf den Nachzahlungsbetrag zu erheben. Daraus erklärt sich möglicherweise auch der Verzicht auf ein Revisionsverfahren, weil dadurch auch die Strafe noch höher ausfallen könnte, zumal das Gericht mit der Strafe erheblich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von 5 Jahre Haft geblieben ist und dabei die Verdienste für den FC Bayern und die Allgemeinheit besonders gewürdigt hat.

Zu den Wohltaten des Herrn Hoeneß sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass er für getätigte gemeinnützige Spenden sicherlich auch den steuerlichen Abzug geltend gemacht haben wird und damit der Staat etwa die Hälfte durch Steuerminderungen beigetragen hat. Wenn Hoeneß weiterhin anführt, er hätte solchen Einrichtungen auch durch Verzicht auf ein ihm zustehendes Vortragshonorar geholfen, so befürfte auch das der Überprüfung, ob das nicht ebenfalls eine Steuerverkürzung darstellt. Die Vereinnahmung eines Honorars wäre ggf. umsatzsteuerpflichtig und die Weitergeba des Betrages als Spende nur dann steuerlich abzugsfähig, wenn der notwendige Verwendungsnachweis einer gemeinnützigen Einrichtung vorgelegt werden kann und auch die gesetzlich vorgeschriebene Abzugsbeschränkung (max. 20%  der Einkünfte bzw. 4 Promill des Umsatzes) den Abzug zuläßt.

Helmut Laser